Die rasanten Entwicklungen im Nahen Osten sind nicht einfach nachvollziehbar. Die Widersprüche, Konflikte und Versuche nehmen kein Ende. Der Nahe Osten hat sich in ein Knäuel von Widersprüchen und Konflikten verwandelt, aber wer die Geschichte der Region kennt, geht von zwei grundlegenden Problemen aus, die eine wirksame Rolle spielen. Das sind die Palästina-Frage und die Kurdistan-Frage. Kurdistan wurde nach dem Ersten Weltkrieg auf vier Staaten aufgeteilt. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde der Staat Israel gegründet und die Palästinenser:innen wurden weitgehend aus ihrem Land vertrieben. In diese Lage wurden Palästina und Kurdistan mit der Hilfe und Unterstützung der imperialistischen Mächte gebracht.
Die Türkei war als erster Nationalstaat Vorreiter bei der Eliminierung und Assimilierung des kurdischen Volkes. Das türkische Modell wurde später von Iran, Irak und Syrien übernommen. Diese vier Staaten waren sich in Bezug auf die Kurdinnen und Kurden immer einig und haben nach nach Belieben gehandelt, um sie zu vernichten. Der Status Kurdistans, oder vielmehr der fehlende Status, ist zu einem Weltprinzip geworden. Nach dem Beitritt der Türkei zur NATO hat sich dieses Problem noch vertieft.
Damit Kurdistan keinen Status erhält
Der türkische Staat hat eine einflussreiche Rolle, um in der Region und in der Welt sicherzustellen, dass die Kurdinnen und Kurden keinen Status erhalten. Als 2011 der Aufstand in Syrien ausbrach, öffnete die Erdoğan-Regierung sofort die Grenzen und mobilisierte für den Sturz der Regierung von Baschar al-Assad. Der Grund für dieses rasche Handeln waren wiederum die Kurden. Erdoğan ging damals davon aus, dass das Assad-Regime gestürzt wird und die Kurden von der Situation profitieren und einen Status erlangen könnten. Durch die Unterstützung der Muslimbruderschaft erhoffte er sich Einfluss auf einen großen Teil der syrischen Bevölkerung und einen Machtgewinn im Nahen Osten. Er träumte vom Osmanischen Reich und rechnete mit Vorteilen für seinen Expansionismus. Er wollte die Gelegenheit nutzen.
Erdoğans Kalkül hat Syrien in einen blutigen Strudel gerissen
Doch diese Rechnung ging nicht auf. Sowohl die Kurden als auch die Assad-Regierung leisteten Widerstand. Die Kurdinnen und Kurden haben den IS zurückgeschlagen und gemeinsam mit der internationalen Koalition besiegt. Und die Assad-Regierung blieb mit iranischer und russischer Unterstützung an der Macht. Erdoğans Kalkül hat Syrien jedoch in einen blutigen Strudel gerissen. Hunderttausende Menschen verloren ihr Leben und Millionen waren zur Flucht gezwungen. Syrien ist ein schwer verwundetes Land und leidet noch immer unter den Folgen. Doch Erdoğan und sein rassistischer Partner MHP verfolgen weiterhin böse Absichten.
Erdoğan hat sich in vielen Fragen umentschieden
Als Erdoğans Pläne nicht aufgingen, hat er sich in vielen Fragen umentschieden. Er bettelte Israel an und kriecht vor den arabischen Staaten. Aber seine Feindschaft gegen die Kurdinnen und Kurden hat er beibehalten, er gibt die Angriffe auf sie nicht auf. Auch seine Verhandlungen mit den USA und den europäischen Mächten führt er über die Kurden. Das Gleiche gilt für seine Beziehungen zu Russland. Kurz gesagt, er verhandelt mit der ganzen Welt, um Unterstützung für seine Feindseligkeit gegenüber den Kurdinnen und Kurden zu bekommen.
Normalisierung der türkisch-syrischen Beziehungen?
Erdoğan sagt schon seit geraumer Zeit, dass er die Beziehungen zu Syrien normalisieren will. Dafür hat er auf Russland gesetzt. Die Putin-Regierung ist wegen Krieg und Embargo in Bedrängnis und hat bereits früher mit der Türkei zusammengearbeitet, insbesondere bei der Besetzung von Efrîn. Beide waren es gewohnt, Völker für ihre eigenen Interessen zu unterdrücken und aneinander zu verscherbeln. Trotz der Versuche Russlands hat sich Baschar al-Assad jedoch nicht mit Erdoğan getroffen. Er sagte zu Recht: „Wenn ich mich mit ihm an einen Tisch setze, würde ich seine Besatzung in Syrien gutheißen.“ Als Bedingung für ein Treffen schlug er vor, dass die Türkei ihre Truppen aus Syrien abzieht. Seine jüngste Äußerung nach einem Besuch von Putins Sondergesandtem in Damaskus war jedoch anders. Er sagte, dass die Beziehungen zur Türkei normalisiert werden könnten.
Veränderung der Haltung Syriens
Warum hat Syrien sein Verhalten geändert? Das ist eine wichtige Frage, die diskutiert werden muss. Sie muss beobachtet und erforscht werden. In den USA stehen bald Wahlen an und es besteht die Möglichkeit, dass Trump wiedergewählt wird. In diesem Fall könnten sich die USA aus Syrien zurückziehen und die Türkei würde als Besatzer allein dastehen. Die Türkei will eigentlich nicht, dass die USA Syrien verlassen. Bei der Kritik von Erdoğan an den USA geht es nur um die Kurdinnen und Kurden. Solange die USA dort sind, wird die Zerschlagung und Vertreibung der Kurden hinausgezögert. Die Konjunktur kann sich ändern und es kann sich ein kurdischer Status herausbilden. Erdoğan fordert von den USA freie Hand gegen die YPG und QSD. Wenn die USA sich jedoch zurückziehen und der arabische Nationalismus in Syrien stärker wird, ändert sich auch die Lage in Idlib und den türkisch besetzten Gebieten. Erdoğan hat allem Anschein nach kein Problem damit, al-Nusra und seine Söldnertruppen zu verkaufen und letztendlich aus Syrien zu verschwinden. Sein Hauptanliegen ist es, die Kurdinnen und Kurden zu vernichten und die demografische Struktur im Grenzgebiet zu verändern.
Baschar al-Assads veränderte Haltung steht im Zusammenhang mit diesen Entwicklungen. Seine Spekulation ist folgendermaßen: „Wenn sich die USA zurückziehen, wird es für uns leichter sein, die kurdischen Gebiete gemeinsam mit der Türkei zu zerschlagen. Ich werde die Ölfelder beschlagnahmen. Wenn die Kurden erledigt sind, werden wir keine Schwierigkeiten haben, uns mit den türkischen Invasoren zu einigen.“
Es scheint, dass es neue Bewegungen in der Region geben wird.